Seit Mitte August sind die allgemeinen Rahmenrichtlinien zum Kindergarten- und Schulstart abgesteckt. 266 Kindergärten und 378 Schulstellen haben diese an die räumlichen Gegebenheiten vor Ort angepasst. Ein Mammut-Projekt, das den Einsatz vieler erfordert hat und eine einheitliche Handhabung aufgrund der Komplexität der deutschen Schule nicht möglich macht.
Aber nun sind sie wieder startklar die Kindergärten und Schulen in Südtirol: 11.926 Kindergartenkinder und 54.672 Schülerinnen- und Schüler werden die Kindergarten- und Klassenräume am kommenden Montag stürmen – froh darüber, endlich dort wieder spielen, lernen und Freunde treffen zu dürfen.
Hier ein Überblick zu den wichtigsten Punkten aus dem Rahmenkonzept zum Kindergarten- und Schulbereich sowie die gängigsten zehn Fragen, die mich in diesem Zusammenhang in den vergangenen Wochen erreicht haben. Gestaffelte oder gleitende Ein- und Austritte, Abstandhalten, das morgendliche desinfizieren der Hände sowie häufiges Händewaschen und Lüften aufgrund der Corona-Pandemie gehören ebenso zum fixen Bestandteil im Kindergarten- und Schulalltag wie keine Mund-Nasen-Schutz-Pflicht für Kindergartenkinder und für Schülerinnen und Schüler, wenn sie während des Unterrichts im Klassenraum auf ihre Plätze sitzen. Kann der ein Meter Sicherheitsabstand nicht garantiert werden, setzten sie den Mund-Nasen-Schutz auf, um andere und sich selbst vor einer Infektion zu schützen. Eben nach dem Motto: Schützt du mich, schütze ich dich!
Die wichtigsten Punkte aus dem Rahmenkonzept zum Kindergartenstart unter Corona-Bedingungen
Öffnungszeiten für Bildungsjahr 2020/2021 wie vor der März-Schließung
Gestaffelte Ein- und Austritte in den Kindergärten
Einhaltung der Hygieneregeln: desinfizieren der Hände morgens sowie häufiges Händewaschen
Kindergartenkinder tragen keinen Mund-Nasen-Schutz, halten keine Abstände ein
Erwachsene tragen Mund-Nasen-Schutz; diese Regelung gilt auch für die Arbeit mit Kindern
Gleichbleibende stabile Gruppen; Gruppengröße umfasst in der Regel 25 Kinder
Schließungen ganzer Kindergärten sollen zukünftig vermieden werden
FAQ: Häufig gestellte Fragen und Antworten aus dem Kindergartenbereich
Warum werden die Kinder im Kindergarten getrennt, wenn sie aber auf dem Spielplatz zusammenkommen?
Gleichbleibenden stabilen Gruppen garantieren im Kindergarten eine rasche Rückverfolgbarkeit bei einem positiven Fall. Dies ist auf gesamtstaatlicher als auch auf lokaler Ebene eine wichtige Sicherheits- und Schutzmaßnahme im Kindergarten.
Dürfen Eltern den Kindergarten betreten oder nicht?
In Ausnahmensituationen dürfen Eltern die Räumlichkeiten des Kindergartens betreten. Sie müssen dann die Sicherheits- und Schutzmaßnahmen einhalten. Um Menschenansammlungen zu vermeiden, sind je nach räumlichen Gegebenheiten für jeden Kindergarten unterschiedliche Lösungen erforderlich.
Ist bei einem positiven Fall die gesamte Gruppe automatisch unter Quarantäne?
Der Hygienedienst entscheidet, wer genau sich im Falle eines positiv getesteten Kindes/Bediensteten in Quarantäne begeben muss und verordnet diese. Es muss nicht zwingend die gesamte Gruppe oder gar der gesamte Kindergarten sein.
Die wichtigsten Punkte aus dem Rahmenkonzept zum Schulstart unter Corona-Bedingungen
Gestaffelte oder gleitende Ein- und Austritte
An den Grund- und Mittelschulen: vormittags täglicher Präsenzunterricht nach einzelnen Fächern und ein ganzjähriges freiwilliges Nachmittagsangebot
An den Ober- und Berufsschulen: Mischung zwischen Präsenz- und Fernunterricht
Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes beim Ein- und Austritt sowie in der Schule, wenn der 1 Meter Sicherheitsabstand nicht möglich ist
Kein Mund-Nasen-Schutz während des Unterrichts bei stabilem Abstand von 1 Meter zum Banknachbarn
Die allgemeine Rahmenbedingungen wurden landesweit abgesteckt
Es gibt eine unterschiedliche Handhabung an den Schulen aufgrund der verschiedenen Ausgangsbedingungen vor Ort
FAQ: Häufig gestellte Fragen und Antworten aus dem Schulbereich
Das „Corona-Ampelsystem“ dient zur Risikoeinstufung im Schulbereich. Italienische Schulen starten mit der Ampelfarbe Grün. An den deutschen Schulen steht die Ampel auf Gelb. Warum dieser Unterschied?
Vorausgeschickt sei, die Corona-Hygieneregeln und Sicherheitsmaßnahmen an den Schulen gelten für alle Schulen, unabhängig davon ob es sich um eine deutsch- oder italienischsprachige Schule handelt. Unser oberstes Ziel ist in diesem anstehenden Schuljahr 2020/2021: für Sicherheit zu sorgen und alles zu tun, um Schulschließungen zu verhindern, stets unter Berücksichtigung des Infektionsgeschehens.
Der deutsche Schulbereich ist viel komplexer. Südtirolweit verteilen sich die Schulen bis ins kleinste Bergdorf. Schulen sind somit nicht nur im urbanen Bereich zu finden. Andererseits haben wir an den deutschen Schulen bedeutend mehr Schülerinnen und Schüler (Stand 31. August 2020: 54.672 Schüler/-innen) als im italienischen Bereich (18.758 Schüler/-innen).
An diese allgemeine Ausgangssituation im deutschsprachigen Schulbereich sind – um eben auch die allgemeinen Rahmenrichtlinien umzusetzen – weitere Begleitmaßnahmen geknüpft:
Damit die Schüler/-innen während des Unterrichts beispielsweise auf den Mund-Nasen-Schutz verzichten können, muss der ein Meter Sicherheitsabstand zum Banknachbarn gewährleistet werden. Folglich mussten in den Grund- und Mittelschulen zusätzliche Klassen gebildet werden: insgesamt 400 Klassen mehr. Die zusätzlichen Klassenbildungen hängen wiederum mit den unterschiedlichen Schulstrukturen und Schulgrößen zusammen und führte zu Platzproblemen. Gerade im deutschen Bereich haben wir vor allem in den Dörfern Schulen, in denen die Schülerzahlen in den letzten Jahren und Jahrzehnten deutlich angestiegen sind.
Um den Unterricht für alle Schülerinnen und Schüler im gleichen Ausmaß im ganzen Land gewährleisten zu können, wird in der Unterstufe ein (sehr geringer!) Teil des Unterrichts in ein fakultatives, sprich freiwilliges, Angebot umgewandelt, in der Oberstufe durch einen Wechsel zwischen Präsenz- und Fernunterricht.
Eben weil die deutschen Schulen in Südtirol sehr kapillar angesiedelt sind, haben wir gerade in der Oberstufe, also an den Oberschulen und berufsbildenden Schulen eine Vielzahl von Fahrschülerinnen und -schüler. Hier mussten wir versuchen, überfüllte öffentliche Transporte zu vermeiden. Die Abteilung Mobilität setzt zwar zusätzliche Busse ein, aber vor allem Zuglinien können nicht potenziert werden. Im italienischen Bereich gibt es bedeutend weniger Fahrschülerinnen und -schüler, da die Schulen zum größten Teil im städtischen Gebiet angesiedelt sind und die Schülerinnen und Schüler meist auch dort leben. In den meisten Fällen können sie ihre Schule zu Fuß oder mit dem Fahrrad erreichen.
Zudem gibt es Engpässe bei der Mensa, denn auch dort müssen die Corona-Sicherheitsbestimmungen eingehalten werden.
Nimmt man all diese Herausforderungen im deutschsprachigen Schulbereich zusammen, so erklärt sich, warum das deutschsprachige Schulkonzept unter Corona-Bedingungen weitaus komplexer ist und abweichend von einem Regelbetrieb organisiert werden musste.
Lernen unsere Kinder noch genug oder werden sie zu Bildungsverlierern?
Südtirol arbeitet bereits seit fast 15 Jahren nicht mehr nach Lehrplänen, in denen genau festgeschrieben ist, was in welcher Klassenstufe und innerhalb welcher Zeit erarbeitet werden muss. Die Basis für den Unterricht bilden die Rahmenrichtlinien, die nach Kompetenzen ausgerichtet sind: Es geht also weniger um das Erreichen von Standards, sondern um das Erreichen der Kompetenzziele. Diese Ziele sind weniger auf Inhalte ausgerichtet als auf Fähigkeiten und Fertigkeiten, die man anhand von Inhalten erarbeitet. Die Fülle der Inhalte ist dabei nicht wesentlich, sondern vielmehr die Qualität der Strategien und der für ein Fach wesentlichen Basiskompetenzen.
Warum müssen die Dörfer zu Gunsten der Städte auf Unterrichtszeit verzichten?
Das ist eine Irrmeinung (!): Die zusätzlichen Klassen mussten nicht vorrangig im städtischen Bereich gebildet werden. Auch in Landgemeinden mussten zusätzliche Klassen v. a. dort gebildet werden, wo die Bevölkerungszahlen seit dem Schulbau (in den 70er- oder 80er- Jahren) deutlich zugenommen haben.
Warum bieten nicht alle Grund- und Mittelschulen an gleich vielen Nachmittagen freiwillige Bildungsangebote an?
Bereits vor der Corona-Pandemie gab es an den Grund- und Mittelschulen für den Nachmittagsunterricht verschiedene Regelungen: Manche Schulen hatten einen Nachmittag Unterricht, manche an zwei Nachmittagen; an manchen Schulen gab es einen ganzjährigen Nachmittag, an anderen nur einen halbjährigen Nachmittag. Auf der Basis der Verteilung des Nachmittagsunterrichts vor der Corona-Pandemie wird auch das neue Angebot gestaltet.
Warum sollen die Gruppen am Vormittag stabil bleiben und am Nachmittag werden andere Gruppen gebildet? Ist das Virus am Nachmittag weniger ansteckend?
Da das Angebot am Nachmittag fakultativ, also freiwillig ist, müssen die Gruppen am Nachmittag zwingend auch anders gebildet werden als am Vormittag. Ziel der stabilen Gruppen bleibt aber immer eine Einschränkung des möglichen Infektionsradius. Gleichzeitig müssen Schulen aber auch arbeitsfähig bleiben. Daher die Lösung: ganzjährig gleichbleibende Gruppen am Vormittag und ebenso am Nachmittag.
Warum müssen Kinder zum freiwilligen Nachmittagsangebot ganzjährig und verpflichtend angemeldet werden?
Die ganzjährige verpflichtende Anmeldung ist nötig, um auch am Nachmittag die Gruppen stabil zu halten. Das Nachmittagsangebot ist kein Wahlfach wie im bisherigen Sinn (in Blöcken, in wechselnden Gruppen mit interessensbezogener Anmeldung), sondern ein freiwilliges Bildungsangebot im schulischen Kontext. Es ist dies ein Angebot für jene Familien, die am Nachmittag eine Begleitung ihrer Kinder benötigen, damit Eltern ihrer Arbeit nachgehen können.
Müssen Kinder, die das Angebot am Nachmittag nicht wahrnehmen, zu Hause alles nachholen/selber machen?
Kinder, die nicht daran teilnehmen, müssen zu Hause weder etwas nachholen noch „belegen“, dass sie sich in dieser Zeit zu Hause mit Bildungsangeboten beschäftigt haben. Und es gilt auch jene Entscheidungen der Familien zu respektieren, die nicht vom Nachmittagsangebot Gebrauch machen wollen oder müssen.
Was ist selbstorganisiertes Lernen?
Wichtig: Auch das selbstorganisierte Lernen ist Lernzeit. Selbstorganisiertes Lernen „passiert“ nicht nur während der Ein- und Austrittszeiten oder zu Hause, sondern sollte Teil eines jeden Unterrichts sein. Es ist dies eine Kompetenz, bei der es darum geht:
das eigene Lernen aktiv in die Hand zu nehmen und unter Anleitung der Lehrperson den eigenen Lernprozess zu gestalten,
sich Fachinhalten anzunähern und sich individuell mit ihnen auseinander zu setzen,
gegebenenfalls Lernschritte alleine planen und ausführen zu können (wichtig auch für einen eventuellen Umstieg im Fall einer Quarantäne)
An dieser Stelle sei auch angemerkt: Das Gehirn – so die Erkenntnisse aus der Neurobiologie – ist keine Computerfestplatte mit einer beliebigen Kapazität. Statt nach dem Prinzip des Nürnberger Trichters-Modells Unmengen von Wissen in die Schülerinnen und Schüler hineinzupressen, sollten Lerninhalte vielmehr anschaulich und alltagsnah präsentiert und anschließend in Gruppen- oder Einzelstudium vertieft werden. Schülerinnen und Schüler müssen verstärkt darauf vorbereitet werden, selbständig Lernen zu lernen, sich beispielsweise die Lernzeit zu strukturieren oder die Lerninhalte aufzuteilen. Dies auch, damit eben nicht Eltern in die Rolle der Lehrperson schlüpfen müssen.
Warum gibt es an den Oberschulen und berufsbildenden Schulen nicht für alle Klassen durchgehenden Präsenzunterricht?
Einerseits: Der Schulbetrieb an den Oberschulen und an den berufsbildenden Schulen ruft eine große Schülermobilität hervor. Will heißen: Hier gibt es eine Vielzahl von Fahrschülerinnen und -schüler. Die Kapazitäten der öffentlichen Transportmittel sind nur eingeschränkt und nicht zu 100 Prozent nutzbar, zumal auch in den Transportmitteln Corona-Sicherheitsregeln gelten. Hätten wir in diesem Bereich nicht gegengesteuert, würden wir eine Überfüllung von Bussen und Zügen riskieren.
Andererseits: Die Abstandsregeln gelten auch in den Oberschulen und an den berufsbildenden Schulen. Logistisch war es allerdings nicht wie an den Grund- und Mittelschulen bewältigbar, zusätzlichen Klassen zu bilden.