Frauen und Männer sind gleichberechtigt. Und dennoch sind wir noch nicht dort, wo wir sein sollten. Das trifft auch auf den Arbeitsmarkt zu. Die Politik – aber nicht nur sie – ist gefordert gegenzusteuern. Anlässlich des zehnten Equal Pay Day in Südtirol habe ich im Rahmen einer Online-Tagung, organisiert vom Landesbeirat für Chancengleichheit am 15. April, die Strategie des Landes zur Arbeitsmarktpolitik vorgestellt. Aber welche Rolle spielen dabei die Frauen? Eine tragende, denn sie sind für den Südtiroler Arbeitsmarkt eine große Ressource.
Strategiedokument Aktive Arbeitsmarktpolitik 2020-2024
Die Ausrichtung des Landes für die nächsten Jahre wurde mit Übereinstimmung der Sozialpartner in einem Strategiedokument 2020-2024 erarbeitet und liegt allgemein auf einer aktiven Arbeitsmarktpolitik. Die Gleichstellung und der Abbau eines geschlechtsspezifischen Lohngefälles sind eine politische Querschnittsaufgabe. Dabei ist aber nicht nur die Politik gefordert. Es braucht unbedingt sozialpartnerschaftliche Abkommen im Bereich der Lohntransparenz, der Gleichstellung und Vereinbarkeit, die ein wirksames Instrument sind.
Sensibilisierung und Beratung durch Arbeitsvermittlungszentren
Eine zentrale Rolle werden zukünftig Arbeitsvermittlungszentren spielen, welche Betriebe, aber auch Arbeitnehmerinnen sowie Arbeitssuchenden beraten. Die Arbeitsvermittlung zu stärken ist somit ein allgemeines Ziel, das sich unweigerlich auf die Frauenerwerbstätigkeit auswirken wird. Soll heißen: Wir müssen in die Betriebe hineingehen, versuchen, dort die gläserne Decke durch Beratung und Sensibilisierung zu durchbrechen. Wir müssen dazu beitragen, dass die Frauenerwerbstätigenquote zunimmt und die Geschlechtersegregation auf dem Arbeitsmarkt abnimmt. Wir müssen Frauen die diskriminierungsfreie Teilhabe an Erwerbsarbeit – sowohl als abhängig Beschäftigte als auch als Selbstständige – ermöglichen und Einkommensunterschiede sowie benachteiligende Arbeitsbedingungen verringern. So ist es unsere Verantwortung, dass Frauen, die im Arbeitsmarkt bleiben und eine durchgängige Erwerbstätigenbiografie haben möchten, diese Möglichkeit erhalten. Denn gerade die Unterbrechungen der Arbeitsbiografie sorgt für einen Gender-Pay-Gap.
Sechs konkrete Maßnahmen damit die Frauenerwerbstätigkeit zunimmt
Folgende sechs konkrete Maßnahmen haben wir im Strategiedokument „Aktive Arbeitsmarktpolitik 2020-2024“ vorgesehen, damit die Frauenerwerbstätigenquote zunimmt und die Geschlechtersegregation auf dem Arbeitsmarkt abnimmt:
Erstens, dass die Vereinbarkeit in der Arbeitswelt gestärkt wird, etwa durch Vereinbarkeitsmodelle und durch familienfreundliche Angebote im Bildungssystem. Hierfür müssen sozialpartnerschaftliche Abkommen abgeschlossenen werden. Abseits von familienfreundlichen Angeboten und Vereinbarkeitsmodellen sind neue und flexiblere Arbeitsmodelle zentral, um das Berufs- und Familienleben besser abzustimmen, beispielsweise die Förderung innovativer Arbeitszeit- und Telearbeitsmodelle oder die Errichtung von dezentralen Coworking Spaces.
An diese erste Maßnahme knüpft die zweite, die wäre, dass wir die Selbstkündigung von Eltern von Kleinkindern aufgrund fehlender Vereinbarkeit verringern wollen. Hierfür wurde in einer Arbeitsgruppe mit Unterstützung des Landesbeirates für Chancengleichheit ein koordiniertes Beratungsnetzwerk zwischen Arbeitsservice, Gleichstellungsrätin, Sozialpartner und dem Land Südtirol erarbeitet. Dieses koordinierte Beratungsnetzwerk kann bei Selbstkündigung dazu beitragen, dass beide Seiten, also Arbeitnehmerin und Arbeitgeber, dazu verpflichtend beraten werden.
Auch müssen wir dazu beitragen, dass für Frauen der Zugang zu qualitativ hochwertigen Erwerbsarbeitsplätzen verbessert wird. Hier möchten wir in Zukunft durch einen sog. Arbeitgeberservice gezielt durch Beratung in die Betriebe gehen und dafür Sorge tragen, dass der innerbetriebliche Aufstieg von Frauen gefördert wird, und dass geschlechtsstereotypische Sichtweisen innerhalb des Betriebes durchbrochen werden.
Die vierte Maßnahme ist, dass wir das weibliche Unternehmertum fördern und schützen müssen. In Zusammenarbeit mit der Handelskammer Bozen haben wir hierzu eine Förderschiene erarbeitet, die im heurigen Jahr aktiv werden soll, in dem sog. Mentoring- bzw. Stellvertreterinnen-Programme gefördert werden. Dadurch ist es möglich, dass Unternehmerinnen beispielsweise Erziehungszeiten in Anspruch nehmen, sich aber im Betrieb – gefördert durch das Land Südtirol – vertreten lassen können. Dabei wird ein Beitrag für eine zusätzliche Arbeitskraft für Unternehmerinnen und Freiberuflerinnen gewährt.
Unbedingt dafür sorgen müssen wir auch, dass die Chancengleichheit und Fachkräftesicherung durch den Abbau eines geschlechtsspezifischen Berufswahlverhaltens gestärkt werden. Dies passiert unter anderem durch frühzeitige Maßnahmen im Bildungsbereich. So haben wir beispielsweise verschiedene Initiativen zur Geschlechtergleichstellung in der MINT-Ausbildung (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik) auf den Weg gebracht. Wenn sich mehr Frauen für diesen Ausbildungsbereich interessieren, wirkt sich das auf Arbeitsplätze in diesem Bereich aus. Zudem hat die Ausbildungs- und Berufsorientierung eine Kampagne lanciert, um geschlechtsstereotypische Verhaltensweisen zu durchleuchten.
Zu guter Letzt muss der Blick auf vulnerable Frauengruppen gelenkt werden: Es sind dies Frauen mit Migrationshintergrund, für die der Zugang zum Arbeitsmarkt hergestellt werden muss; es sind dies ältere Frauen mit diskontinuierlichen Erwerbsbiografien, die wir dringend und gezielt durch Nach- und Weiterbildungsqualifizierungen unterstützen müssen; und es fallen aktuell leider auch Frauen mit Saisonstellen hinein, die keine Anschlussbeschäftigung finden bzw. coranabedingt keiner saisonalen Beschäftigung nachgehen konnten.
Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer
Nur weil einige Frauen hohe Führungspositionen bekleiden, haben wir in Sachen Gleichstellung und Gleichberechtigung von Frauen auf dem Arbeitsmarkt noch längst nicht unsere Zielmarke erreicht. Somit: Es gibt noch viel zu tun. Gehen wir von der Defensive in die Offensive. Packen wir es gemeinsam an, damit Frauen während ihres Arbeitslebens nicht abgehängt werden.