Ein Grundproblem des Menschen ist es zu glauben, alles schon zu wissen. Selten geben wir zu, dass wir uns noch in einen bestimmten Bereich einlesen oder gar einen anderen Menschen um seine Expertise fragen müssen. Wir wissen alles schon im Voraus. Egal wie vorurteilsfrei wir zu sein glauben, wir gehen an alles mit einer bestimmten Erwartungshaltung heran.
So auch ich, als ich mein Praktikum im Kultur-, Bildungs- und Wirtschaftsressort aufnehme. Vielleicht darf ich bei ein paar Sitzungen daneben sitzen, vielleicht darf ich den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von Landesrat Philipp Achammer ein bisschen über die Schultern schauen. Jedenfalls wird es – so erwarte ich es mir zumindest – ein Praktikum, das wenig mit Arbeitspraxis zu tun hat und mehr mit Zuhören, Dabeisein.
Nun, wieder einmal wurde ich der Tatsache belehrt, dass man sich niemals solchen Erwartungshaltungen hingeben sollte.
Landhaus 7, 3. Stock. Hier haben Landesrat Philipp Achammer und sein engster Mitarbeiterstab ihre Büros. Und zwei Wochen lang auch ich. Sogleich nimmt sich jeder die Zeit, mich willkommen zu heißen und mich wissen zu lassen: „Wenn mir ba eps behilflich sein konnsch oder irgendwohin mitgian konnsch, hol i di!“
Nichts mit ruhig daneben sitzen also. Meine Ansprechpersonen sind vor allem René Ploner, der persönliche Referent des Landesrates und Armin Gatterer, der Ressortdirektor. Letzterer lädt mich gleich am ersten Vormittag in sein Büro ein, um mich über die verschiedenen Posten in der Landesverwaltung aufzuklären. Denn welcher Jus-Student, der noch nicht Verwaltungsrecht gelernt hat, weiß schon, wo genau Ressortdirektoren, Amtsdirektoren und Abteilungsdirektoren in der internen Hierarchie stehen?
Damit ich die verschiedenen Posten und Ämter auch mit Gesichtern und Namen verbinde, organisiert Ressortdirektor Gatterer im Laufe der zwei Wochen immer wieder Treffen, damit ich die Landesbeamten, die Landesrat Achammer unterstehen, allmählich kennenlerne. Teilweise zumindest; besteht der Zuständigkeitsbereich des Landesrates doch aus den vier großen Abteilungen Deutsche Kultur, Arbeit, Wirtschaft, Bildungsförderung sowie der deutschen Bildungsdirektion.
So pendelt sich ein Alltag bei mir ein. Die Hälfte der Zeit verbringe ich in den verschiedenen Ämtern und bei Mitarbeitern von Philipp Achammer. Dort erlange ich Einblicke in die vielseitige Arbeit der öffentlichen Verwaltung und darf bei Sitzungen dabei sein. Die andere Hälfte der Zeit sitze ich am Computer, da ich mit einigen Aufgaben betraut werde, wie etwa Mails beantworten, einen Vermerk verfassen oder bei einfacheren rechtlichen Fragen meine Meinung abgeben – sofern ich dazu eben imstande bin als Zweitsemester.
Es ist eine politisch spanende Zeit, in der ich mein Praktikum absolviere. Demnach ist es für mich auch wenig verwunderlich, dass ich den Landesrat selbst eher wenig zu Gesicht bekomme. Er ist eben auch SVP-Obmann. Und das bedeutet viele parteiinterne Sitzungen.
Trotzdem bekomme ich im Hintergrund bei Besprechungen hochinteressante strategische Entscheidungen der Kommunikationsspezialisten in Achammers Büro mit. Daher bin ich – auch wenn ich die News-Alarmglocke auf meinem Handy deaktiviert habe – immer up to date in Bezug auf die Südtiroler Landespolitik.
Was mich erstaunt: Ich werde im Rahmen dieser teaminternen Sitzungen – wo also wirklich nur der engste Mitarbeiterstab von Philipp Achammer dabei ist – immer nach meiner Meinung gefragt. Es scheint das Team des Landesrates sehr zu interessieren, wie die Sicht der Dinge eines Außenstehenden ist.
Parteiobmann hin oder her, Philipp Achammer vernachlässigt seine Pflichten als Wirtschafts- und Kulturlandesrat natürlich nicht. So begleite ich ihn einmal zu einer Pressekonferenz in der Handelskammer, in der Wirtschaftswissenschaftler das Ergebnis einer Studie präsentieren, aus der hervorgeht, wie groß der Einfluss der Kultur auf Südtirols Wirtschaft ist. Die Relevanz der Studie für den Wirtschafts- und Kulturlandesrat erklärt sich von selbst.
Sehr überraschend für mich ist, wie offen innerhalb des Teams gesprochen wird. Wenn man anderer Meinung ist, wird das ganz offen gesagt. Obschon die andere Meinung jene des Landesrates sei. Dieser Umgang zeugt von sehr großem Vertrauen und Respekt zwischen Landesrat Achammer und seinen Mitarbeitern.
Überhaupt sind die Stimmung und der Umgang im Team sehr freundschaftlich. So werden etwa bei Besprechungen manchmal Croissants verzehrt und zu Mittag ab und zu im nahegelegenen Batzenhäusl gemeinsam gegessen.
Nichts von einer kalten, unnahbaren Politikerwelt also. Nichts von den üblichen Vorurteilen, die manch einer Politik und öffentlicher Verwaltung gegenüber hegt. Man darf sich eben niemals Vorurteilen hingeben. Nicht als angehender Praktikant seiner Arbeit beim Land gegenüber. Und auch nicht als Bürger Politikern und Beamten gegenüber.